Montag, 24. August 2009

Tikal - das nationale Wahrzeichen Guatemalas

Ich sitze auf einer Steinpyramide hoch über den Urwaldbäumen. Man hört Tukane schreien, Brüllaffen brüllen und unter mir breitet sich das Grau des Nebels am frühen Morgen aus. Ein Webervogelmann plustert sein schwarz-gelbes Gefieder auf und versucht durch laute Schreie die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zu locken. Langsam bahnt sich die Sonne einen Weg durch die Dunstschicht und Tempel für Tempel, Pyramide für Pyramide tauchen aus dem dichten, grünen Blätterdach aus. Die Stimmung ist mystisch und man kann sich nicht vorstellen, dass hier einmal eine Stadt mit 100.000 Einwohnern stand.

Was ist geblieben? Die Ruinen einer dekadenten Oberschicht, dem Adel der Mayas, die ihre Untertanen mit einem heute sehr grausam anmutendem Glauben gefügig machten. Die erhaltenen Tempel sind zum Teil Opferstätten, zum Teil Grabmäler und nur ganz selten Reste von Verwaltungsgebäuden oder Wohnstätten der Reichen. Die Behausungen des Volkes sind restlos verschwunden, weil sie ja nur aus primitive Hütten aus Holz mit Palmzweigen gedeckt bestanden.

Was war so grausam an diesem Glauben der Mayas, die oft als friedvolles, ruhiges Volk dargestellt werden? Die Religionsausübung dieser Hochkultur forderte vor allem Verehrung und Opfer für viele verschiedene Götter. Diese Verehrung fand in der grausamen Opferung von Menschen ihren Ausdruck. Im günstigen Fall wurden Gefangene anderer Stämme in brutalen Ritualen geopfert (Kriege wurden nicht nur deswegen geführt um das eigene Gebiet zu erweitern, sondern vor allem auch um Gefangene für Opferungen zu machen). Waren diese nicht vorhanden, mussten die eigenen Mitbürger daran glauben - bevorzugt Jungfrauen, Kinder - ja es galt als besondere Gabe, wenn man eines seiner Kinder an die Götter "verschenkte". Die persönlichen Opfer bestanden aus Blutopfern in Form von Aderlassen. Die Männer zerschnitten dabei ihre Penisse (die männlichen Mayas hatten offensichtlich ein anderes Verhältnis zu ihrem "kleinen Mann", als die heutigen Männer :-), die Frauen zerschnitten ihre Zungen. Diese persönlichen Opfer war auch ein Mittel zur Erreichung des Zustandes der Extase, in der man die Barriere zwischen natürlichem und übernatürlichem Reich überwinden konnte.

Die Mythologie der Mayas ist für meine Begriffe sehr schwer nachvollziehbar. Die Götter, die Schöpfungsgeschichte, das Verhältnis zu den Götter- und Unterwelten sind für mich sehr fremd anmutend, ja teilweise sogar abstoßend.

Sehr eigenartig erscheint mir auch "das Ballspiel", das aber nicht nur Spektakel und Unterhaltung war, sondern vielmehr Ritual, in dem es um Leben und Tod ging. Der Kopf der Verlierer wurde häufig nach ihrer Opferung in Kautschuk gehüllt und als "Ball" im nächsten Spiel verwendet!

Ich persönlich sehe die Kultur der Mayas als eher "kleine" Erscheinung im großen Schauspiel der Weltkulturen, denn sie stand eigentlich nur kurze Zeit in Blüte ( ca. 700 Jahre lang, 250 - 900 n. Chr. ), vorher 2000 v. Chr. - 250 n. Chr. entstanden nur kleine, dörfliche Siedlungen ohne große kulturelle Bedeutung und 900 n. Chr. bis 1600 n. Chr. war die Zeit des Verfalls.

Die wirklich großen Errungenschaften der Blütezeit waren hauptsächlich auf dem Gebiet der Astronomie und der Mathematik (z. B. die Erstellung eines sehr genauen Kalenders), während andere Entwicklungen völlig fehlten, wie z. B. die Erfindung des Rades! Trotzdem erscheint diese Hochkultur interessant und ich glaube, dass dies vor allem im Fehlen von Informationen begründet ist. Die spanischen Konquistatoren haben beinahe alle schriftlichen Aufzeichnungen vernichtet und so ist man heute stark auf Spekulationen und Interpretationen angewiesen und dies verstärkt die mystische Ausstrahlung dieser Kultur.

Mir persönlich hat vor allem die Lage der Maya-Heiligtümer Tikals mitten im Urwald gefallen, das Zusammenspiel von Natur und Kultbauten und die Kraft, mit der die Natur ihren Raum zurückerobert, was man vor allem an den nicht freigelegten Tempeln sieht, von denen oft nur die Spitze sichtbar ist.

Ich werde im Laufe meines Aufenthaltes hier noch einige Relikte dieser Kultur besuchen und auch immer wieder darüber berichten. Vielleicht ändert sich mein Eindruck noch...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen