Donnerstag, 29. Oktober 2009

Sehenswürdigkeiten nur für Einheimische

Ein Ausflug in eine Gegend ohne jegliche Touristen ist schon was Feines! Vergangene Woche war ich mit einem Kollegen aus der Österreichischen Schule und einer Voluntärin aus der Casa Hogar in El Estor, nahe der Atlantikküste Guatemalas. Markus, der Lehrer aus dem Colegio Austriaco musste dort den Besuch der Frau Ministerin Schmid vorbereiten. Sie besucht am 30. Oktober die zweisprachige Landschule von El Estor, die von Österreich unterstützt wird. Diese zweisprachigen Schulen bieten Unterricht in Spanisch und in der regionalen Mayasprache. Besucht werden diese Schulen ausschließlich von indigenen Kindern. Der Staat Guatemala unterstützt Schulen dieser Art nicht, da offensichtlich kein Interesse an der Pflege der Mayasprachen besteht. So ist man dort auf Hilfe von außen angewiesen. Um diese auch weiterhin sicher zu stellen, karrt man die Frau Minister in diesen Ort nahe am Ende der Welt. Ich würde gerne ihr Gesicht sehen, wenn das Auto den Rumpel-Weg zur Schule befährt... :-)

Nach getaner Arbeit fuhren wir ein paar Kilometer aus dem Ort hinaus und hielten am Eingang zu einer Klamm (neudeutsch auch Canyon genannt). Diese Klamm befuhren wir mit einem kleinen Boot flussaufwärts. Die Wände des Canyons sind mit wunderschöner Vegetation bedeckt und das Wasser des kleinen Flusses ist glasklar. Flussabwärts schwammen wir und ließen uns von der Strömung treiben - und das in völliger Ruhe und ohne Menschen rundherum: ein Erlebnis der besonderen Art!

Ein paar Kilometer weiter: Die nächste Erholungsoase - ein Thermalwasserfall! Man stelle sich vor: mitten im Regenwald fließt ein größerer, klarer ganz normaler Bach. In diesen mündet ein zweiter in Form eines Wasserfalls. Das Besondere daran ist, dass dieser Zufluss sehr warm, man könnte sagen heiß ist. Man schwimmt also durch recht kühles Wasser in Richtung Wasserfall und dieser ist in seiner Wärme grad noch erträglich - ein paar Grade mehr und man würde sich verbrennen. Dazu riecht es stark nach Schwefel, denn das Wasser ist schwefelhaltig. Die Haut und die Haare sind nach dieser Wasserfall-Dusche weich und samtig. Und das alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit - keine Turisten und nur ganz wenige Einheimische.

Den Abschluss unseres zweitägigen Ausflugs bildete ein wundervoller Fischschmaus in einem einfachen Strandbeisl bestehend aus frischem Seefisch und "handgeschnitzten" Pommes.

Schade, dass die Frau Minister all diese Dinge nicht genießen wird können .... :-)

Dienstag, 27. Oktober 2009

3 Tage reisen und leben mit guatemaltekischen Jugendlichen

Noch total voll von Eindrücken setze ich mich jetzt gleich an den Laptop und versuche ein bisschen von dem zu vermitteln, was ich in den letzten Tagen erlebt habe:

Am Sonntag sollte es um 5.00 Uhr von der Casa Hogar (eine Art Kinderheim für Indiginas, das von Österreich aus gefördert wird) losgehen. Die beiden Zivildiener Lukas und Reinhard, die Volontärin Bettina, die guatemaltekische Frau des Direktor des Hauses und 23 Kinder und Jugendliche und ich mit einem Bus voller Lebensmittel, mit einigen geborgten Zelten (leider zu wenige!) und viel guter Laune, ab in Richtung Semuc Champey, einem Naturwahrzeichen Guatemalas.

Es begann schon anders: Lukas und Bettina erwischten die Grippe - wir fuhren also zu dritt los mit den 23 Jugendlichen von 12 - 18 Jahren, statt um 5.00 Uhr um 7.00 Uhr, aber so genau ist das hier in Guatemala nicht. Der Bus erwies sich auch als Hit der besonderen Art. Schon nach ca. einer Stunde des weiten Weges (ca. 8 Stunden) lag unser Chauffeur unter dem Bus, die Bremsen funktionierten nicht richtig - 30 Minuten mit Werkzeug aus einem kleinen Werzeugkasten geschraubt und gezangelt und weiter ging es - nicht ohne dass sich der Fahrer heftig bekreuzigte! Ca. 20 km vor Semuc Champay, im letzten Ort vor unserem Reiseziel , kam das Aus: Hier geht es nicht weiter mit dem großen Bus - also einen Pickup mieten - alles umladen - alle hinten auf die Ladefläche - und weitergerumpelt über eine sehr steile, schmale und schlechte Straße bis zum "Hotel" .... Hier dürfen wir im Garten campieren. Das "Hotel" gehört einem Italiener aus der Gegend von Mailand (!) - er hat hier einige Zimmer gebaut und kocht italienisch. Hungrig wie wir sind möchten wir den mitgebrachten Gemüse-Eintopf, den ich am Vortag mit Wilfried gekocht habe, am offenen Feuer aufwärmen. Da es nach dem Aufstellen der Zelte schon dunkel ist, kommen wir nicht mehr zum Holz sammeln. So können wir auch nicht kochen - aber die Kinder wissen sich zu helfen: Sie gehen einfach zu einer nahegelegenen Hütte, in der Indiginas wohnen und lassen dort die 3 Töpfe am offenen Feuer aufwärmen. Danach geht es satt und müde ins Zelt. Die Nacht ist, typisch für den Regenwald, feucht, und eher untypisch, relativ kühl.

Am nächsten Tag marschieren wir begleitet von einem jungen Führer ungefähr 45 Minuten lang nach einem Frühstück aus Bohnen und Tortillas durch den Regenwald an den Fluss mit den vielen wunderschönen, klaren, natürlichen Schwimmbecken. Das Wetter ist sehr schön und alle genießen das Schwimmen und auch die Aussicht vom "Mirador", einem Aussichtspunkt, hoch über dem Fluss. Nur wenige der Jugendlichen schwimmen gut, eigentlich gar keiner - Vorsicht ist also angebracht und Reinhard und ich wechseln uns in der Aufsicht ab. Zeitweise fühle ich mich in Zeiten von Sommersportwochen in Österreich versetzt...

Die Jugendlichen haben ständig Hunger: Es werden wieder Tortillas besorgt (man bekommt sie hier gegen Bezahlung in vielen Häusern), dazu gibt es Sardinen aus Dosen, dann Kekse, Mandarinen, Chips usw. usw.

Am Nachhauseweg schlägt unser Führer einen kleinen Pfad durch den Regenwald vor - er sei kürzer... Nach ca. 1 Stunden wissen wir, dass sich unser Führer in der Einschätzung der Länge des Weges geirrt hat, es wird langsam dunkel. Wir kommen an armseligen Hütten vorbei und ich sehe Menschen, die genauso arm leben wie in Kambodscha: ohne Strom, ohne sauberes Wasser - hier zeigt sich Guatemala als Entwicklungsland! Nach 1 1/2 Stunden kommen wir müde bei unseren Zelten an - wir sind froh, dass wir es ohne Verletzungen geschafft haben, denn der Weg war schwer zu begehen und unser Führer ziemlich unfähig.

Nach einem Abendessen bei unserem Gastgeber (Suppe mit Gemüse und großen Hendlstücken) gibt es noch ein Lagerfeuer, ein Trommelkonzert des Chefs des Hauses mit einigen Freunden und dem Braten von Würsteln und Marshmallows. Wieder ist die Nacht nach diesem sehr heißen Tag eher kühl und kurz: Wir beginnen um ca. 5.30 zusammenzupacken, denn die Pickups sollen uns um 7.00 Uhr abholen. Sie stehen auch fast pünktlich da, verlangen aber nun statt der ausgemachten 5 Quetzal 7,50 Quetzal pro Person für den Transport. Dona Martha, die Frau des Direktors der Casa Hogar, ist nicht bereit den höheren Preis zu zahlen, und so stehen wir eine Stunde lang mit unserem Gepäck da und warten die Verhandlungen ab. Diese verlaufen nicht erfolgreich und die beiden Pickupfahrer verlassen uns mit viel Geschimpfe. Plötzlich taucht ein anderer Pickup auf, der bereit ist uns um den Preis von 5 Quetzal /Person zu transportieren. Also - alles aufladen und zweimal fahren. Unterwegs entledigt sich der Fahrer der beiden großen, prall gefüllten Müllsäcke, die wir in guter europäischer Manier mitgenommen haben um sie der Müllabfuhr in der Hauptstadt zu überlassen, indem er sie einfach über eine steile Böschung in den Regenwald wirft. Mir blutet mein Umweltschützer-Herz, aber was soll`s - das ist Guatemala!

Mittlerweile ist es 9 Uhr und wir fahren mit großer Verspätung mit unserem Bus ab. Unterwegs steht der Verkehr plötzlich. Wir erfahren, dass Indiginas die Straße aus Protest blockiert haben. Sie verlangen eine Land- und Agrarreform. Diese ist hier schon seit Jahrzehnten ein Thema. Es ist hier wie in vielen anderen Ländern Mittel- und Südamerikas: Wenige reiche Großgrundbesitzer besitzen den Großteil des Landes. Die indigene Bevölkerung, meist Mayas, haben nur ganz kleine Felder (Milpas genannt) und kämpfen ständig ums Überleben. Nach meiner Rückkehr habe ich erfahren, dass die Proteste landesweit laufen. Die Hauptstadt ist voll von Militär. Wir hoffen, dass es zu keinen größeren Ausschreitungen kommt.

Zuerst heißt es, dass die Straße bis zum Abend blockiert sein wird - wir haben noch ca. 4 Stunden Fahrt und es gibt keine Ausweichmöglichkeit! Es gibt zwar eine Tankstelle, aber keine Toilette. Die Mädchen beschließen, auf die Suche nach einem Klo zu gehen. Ich begleite sie. Wir marschieren einen kleinen Weg durch den Wald entlang. Meiner Meinung nach, gäbe es hier genügend Freiluft-Kloplätze - doch das ist für die Mädchen hier kein Thema. Schließlich kommen wir zu einigen ärmlichen Hütten. Die Mädchen gehen zielstrebig zu einem kleinen Holzverschlag mit Plastikfolien-Tür. Das ist das ersehnte Klo! Ich hätte den Wald bevorzugt, doch so habe ich auch erlebt, wie Toiletten im Regenwald aussehen! (siehe auch Foto im Fotoarchiv).


Als wir zurückkommen, fließt der Verkehr wieder und wir setzen unsere Fahrt fort. Der Fahrer möchte anscheinend die verlorene Zeit einholen und fährt wie ein Wilder. Am Anfang zittere ich noch mit, indem ich das Geschehen auf der Straße mitverfolge, dann denk ich, dass das nur meinen Nerven schadet und beginne mich in mein Buch zu vertiefen.

Um ca. 18.00 treffen wir in der Hauptstadt ein. Es war ein interessanter Ausflug und ich war oft gezwungen Spanisch zu sprechen (zu stammeln wäre wahrscheinlich die bessere Beschreibung). Die Jugendlichen hier unterscheiden sich von den Jugendlichen in Österreich nicht grundsätzlich. Sie lieben ähnliche Musik (manche spanische Schmachtfetzen würden allerdings bei uns nicht gut ankommen), die Mädchen kreischen genau so pubertäer und die Burschen müssen sich profilieren. Was vielleicht der größte Unterschied ist: Die Jugendlichen sind unheimlich gut im Improvisieren, wenn etwas nicht funktioniert, sie sind ziemlich diszipliniert, recht bescheiden, "g`schamig" und ständig hungrig (ich hab nicht den Eindruck, dass Mädchen hier einen Schlankheitswahn haben!). Es gibt wenig Streitereien und alle greifen bei nötigen Arbeiten zu. Nach unserer Ankunft in der Casa Hogar habe ich ein ähnliches Gefühl wie nach einem Schikurs: Durchatmen und froh sein, dass alles gut gegangen ist...

Wenn ihr auch einen optischen Eindruck von diesem Ausflug haben wollt - Klick auf den Link rechts.

In den nächsten Tagen werde ich noch über den Ausflug nach El Estor berichten und dann verabschiede ich mich nach Patagonien.



Mittwoch, 7. Oktober 2009

Mitten im guatemaltekischen Leben

Nach 2 Wochen ohne Internet (ein Draht am Dach war korrodiert und es kann hier sehr lange dauern, bis jemand von der Telefongesellschaft kommt), melde ich mich wieder direkt aus dem guatemaltekischen Leben, in das ich wiederum ein wenig tiefer eingetaucht bin.

Vor ca. 2 Wochen verließ uns nicht nur das Internet, sondern auch unser Auto. Genauer gesagt, hatte ich einen kleinen Auffahrunfall (Gottseidank kein Personenschaden und auch kein Schaden am anderen Auto) und Wilfrieds Auto steht seither in der Reparaturwerkstätte. Da mein Kurs in einem anderen Viertel der Stadt stattfindet, muss ich das Verkehrsmittel aller armen Guatemalteken wählen: den städtischen Bus. Nun muss man dazu wissen, dass die städtischen Busse besonders gefährdet sind: ca. 90 Buschauffeure wurden dieses Jahr (allein in Guatemala-City) schon erschossen. Warum? Das weiß man nicht so genau. Irgendwie ist das so eine Mafia-Geschichte: Die Buslinien sind an verschiedene "Gesellschaften" vergeben und man munkelt, dass die Fahrer dann dran glauben müssen, wenn die "Schutzgebühr" nicht entrichtet wurde. Aber wie gesagt: Man (der Europäer) weiß es nicht genau... Auf jeden Fall fahren hier nur arme Leute mit dem Bus. Auf die Frage an einige Lehrer der Österreichischen Schule, wie oft sie mit dem Bus gefahren seien, lagen die Antworten zwischen nie bis höchstens einmal!

Also: Ich schließe mich also täglich an die Zivildiener der Casa Hogar (das ist das österreichische Sozialprojekt für Indio-Kinder hier) an, die auch im Amerikanischen Institut Spanisch-Kurse besuchen und mit dem Bus dorthin gelangen (Zivis gehören auch zu den Armen!). Ich gehe von der Österreichischen Schule bis zur Casa Hogar zu Fuß (ca. 10-15 Minuten) - klingt für österreichische Ohren ganz normal, ist es aber nicht! Hier geht kein Weißer (und schon gar keine weiße Frau) zu Fuß! Mindestens jedes 3. Auto hupte mich auf meinem Weg an... Dann marschierten wir über eine steile "Treppe" durch das Dorf Santa Rosita (siehe Foto) zur Bushaltestelle. Die Busfahrt kostet 1 Quetzal = ca. 8 Cent. Die Busse sind in abenteuerlichem Zustand und meist sehr voll. In manchen Bussen stehen beim Ein- und beim Ausgang bewaffnete Wächter - die ganze Fahrt über. Je nach Buschauffeur gibt es laute Rap-Musik oder auch ohrenbetäubende Latino-Schmachtfetzen. Oft steigen Händler ein, die im Bus alles mögliche verkaufen wollen. Ein paarmal gab es auch musikalische Darbietungen von behinderten Menschen (z. B. Blinden), die während der Fahrt im Bus stehen und singen und danach einfach absammeln gehen. Hier hat sich zu meiner Überraschung gezeigt wie solidarisch diese armen Menschen sein können: Fast jeder im Bus hat den Behinderten ein paar Münzen gegeben! Diese Menschen leben selbst von der Hand im Mund, aber einem offensichtlich Behinderten geben sie noch etwas ab! Da könnten sich die Reichen dieses Landes eine Scheibe abschneiden, denn ich finde es z. B. unmöglich, dass sich Guatemala nun mit einem Hilferuf an die internationale Öffentlichkeit wendet, weil in den Trockengebieten Hunger herrscht. Hier im Land gibt es soviele steinreiche Menschen! Würde man diesen Reichtum nur etwas mehr besteuern, würde man den Grundbesitz nur etwas besser aufteilen, müsste in Guatemala kein Mensch hungern!

Aber das ist wiederum eine andere Geschichte...

Ich habe von meinen Busfahrten und von den Menschen in den Bussen deshalb nur so wenige Fotos, weil ich in diesen Bussen eine von ihnen sein wollte - nicht die Touristin, die sich an der Armut "ergötzt".

So habe ich wieder einen Schritt tiefer ins guatemaltekische Leben getan - trotzdem, und das will ich nicht verhehlen, werde ich froh sein, wenn das Auto fertig repariert ist...