Mittwoch, 7. Oktober 2009

Mitten im guatemaltekischen Leben

Nach 2 Wochen ohne Internet (ein Draht am Dach war korrodiert und es kann hier sehr lange dauern, bis jemand von der Telefongesellschaft kommt), melde ich mich wieder direkt aus dem guatemaltekischen Leben, in das ich wiederum ein wenig tiefer eingetaucht bin.

Vor ca. 2 Wochen verließ uns nicht nur das Internet, sondern auch unser Auto. Genauer gesagt, hatte ich einen kleinen Auffahrunfall (Gottseidank kein Personenschaden und auch kein Schaden am anderen Auto) und Wilfrieds Auto steht seither in der Reparaturwerkstätte. Da mein Kurs in einem anderen Viertel der Stadt stattfindet, muss ich das Verkehrsmittel aller armen Guatemalteken wählen: den städtischen Bus. Nun muss man dazu wissen, dass die städtischen Busse besonders gefährdet sind: ca. 90 Buschauffeure wurden dieses Jahr (allein in Guatemala-City) schon erschossen. Warum? Das weiß man nicht so genau. Irgendwie ist das so eine Mafia-Geschichte: Die Buslinien sind an verschiedene "Gesellschaften" vergeben und man munkelt, dass die Fahrer dann dran glauben müssen, wenn die "Schutzgebühr" nicht entrichtet wurde. Aber wie gesagt: Man (der Europäer) weiß es nicht genau... Auf jeden Fall fahren hier nur arme Leute mit dem Bus. Auf die Frage an einige Lehrer der Österreichischen Schule, wie oft sie mit dem Bus gefahren seien, lagen die Antworten zwischen nie bis höchstens einmal!

Also: Ich schließe mich also täglich an die Zivildiener der Casa Hogar (das ist das österreichische Sozialprojekt für Indio-Kinder hier) an, die auch im Amerikanischen Institut Spanisch-Kurse besuchen und mit dem Bus dorthin gelangen (Zivis gehören auch zu den Armen!). Ich gehe von der Österreichischen Schule bis zur Casa Hogar zu Fuß (ca. 10-15 Minuten) - klingt für österreichische Ohren ganz normal, ist es aber nicht! Hier geht kein Weißer (und schon gar keine weiße Frau) zu Fuß! Mindestens jedes 3. Auto hupte mich auf meinem Weg an... Dann marschierten wir über eine steile "Treppe" durch das Dorf Santa Rosita (siehe Foto) zur Bushaltestelle. Die Busfahrt kostet 1 Quetzal = ca. 8 Cent. Die Busse sind in abenteuerlichem Zustand und meist sehr voll. In manchen Bussen stehen beim Ein- und beim Ausgang bewaffnete Wächter - die ganze Fahrt über. Je nach Buschauffeur gibt es laute Rap-Musik oder auch ohrenbetäubende Latino-Schmachtfetzen. Oft steigen Händler ein, die im Bus alles mögliche verkaufen wollen. Ein paarmal gab es auch musikalische Darbietungen von behinderten Menschen (z. B. Blinden), die während der Fahrt im Bus stehen und singen und danach einfach absammeln gehen. Hier hat sich zu meiner Überraschung gezeigt wie solidarisch diese armen Menschen sein können: Fast jeder im Bus hat den Behinderten ein paar Münzen gegeben! Diese Menschen leben selbst von der Hand im Mund, aber einem offensichtlich Behinderten geben sie noch etwas ab! Da könnten sich die Reichen dieses Landes eine Scheibe abschneiden, denn ich finde es z. B. unmöglich, dass sich Guatemala nun mit einem Hilferuf an die internationale Öffentlichkeit wendet, weil in den Trockengebieten Hunger herrscht. Hier im Land gibt es soviele steinreiche Menschen! Würde man diesen Reichtum nur etwas mehr besteuern, würde man den Grundbesitz nur etwas besser aufteilen, müsste in Guatemala kein Mensch hungern!

Aber das ist wiederum eine andere Geschichte...

Ich habe von meinen Busfahrten und von den Menschen in den Bussen deshalb nur so wenige Fotos, weil ich in diesen Bussen eine von ihnen sein wollte - nicht die Touristin, die sich an der Armut "ergötzt".

So habe ich wieder einen Schritt tiefer ins guatemaltekische Leben getan - trotzdem, und das will ich nicht verhehlen, werde ich froh sein, wenn das Auto fertig repariert ist...

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