Mittwoch, 14. Juli 2010

Besuch im Tortugario (in der Schildkrötenstation)

Vergangenes Wochenende haben wir im Tortugario, in der Schildkrötenstation der Schule verbracht. Sie befindet sich in El Gariton, in der Nähe von Monte Rico an der Pazifikküste. Diese Station wurde von Biologielehrern der österreichischen Schule vor vielen Jahren gegründet und dient dem Schutz des Schildkrötenbestandes. Dieser ist dadurch gefährdet, dass Schildkröteneier bei der Bevölkerung als besonderes Nahrungsmittel sehr beliebt sind. Man kann sie sogar auf den Märkten in Guatemala-City kaufen, obwohl dies offiziell verboten ist. Aber das ist, wie bei so vielen Dingen in Guatemala: Was nicht überprüft und bestraft wird, wird einfach übergangen! So hat man mit der Bevölkerung und den Eiersammlern an der Pazifikküste folgendes Abkommen getroffen: Wenn sie die Schildkrötennester plündern, dann sollen sie freiwillig 10 % der Eier in der Schildkrötenstation abgeben. Dort werden sie im "Tortugario", das ist ein eingezäunter Bereich, der mit Netzen vor tierischen Eierräubern geschützt ist, eingegraben. Wenn die kleinen Schildkröten nach ca. 48 Tagen geschlüpft sind, werden sie ins Meer gebracht.
Die Schule hat ein Grundstück direkt am Strand erworben und ein Haus mit einem Dachrancho, das heißt einer mit einem Palmendach überdeckten Dachterrasse gebaut. Auf dieser Terrasse kann man auf Klappbetten wunderbar schlafen. Die Intension war, dass Schulklassen der Schule immer wieder diese Station besuchen, dort auch arbeiten und forschen und so ein Bewusstsein für die Besonderheit der Meeresschildkröten gefördert wird. Leider ist, wie so vieles an dieser Schule dieser Gedanke ein wenig in Vergessenheit geraten und nur wenige Klassen nutzen die Möglichkeit ein paar Tage in El Gariton zu verbringen.
Wir haben einen Gaskocher und einige Lebensmittel mitgenommen, unsere Klappbetten aufgestellt, die Hängematten aufgehängt und die Ruhe fernab der Stadt, das Meeresrauschen und den Blick auf einen menschenleeren Strand genossen. Am Morgen des Sonntag brachte ein Eiersammler seine Donacion (das ist eine Spende) von 10 % seiner gesammelten Eier - 18 Stück.
Sie wurden von einem Arbeiter, der für diesen Job von der Schule beschäftigt wird, im Tortugario vergraben. (Siehe Bilder rechts unter dem Link "Tortugario")
Im heurigen Jahr sind erst wenige Eier abgegeben worden, denn das Meer, das in letzter Zeit sehr stürmisch war, hat für einen neuen Strandverlauf gesorgt. Die Nestplätze der Schildkröten liegen im oberen, bewachsenen Teil des Strandes. Nun hat das Meer aber den unteren Teil des Strandes abgetragen und für eine Stufe von ca. 2 m Höhe gesorgt. Diese Stufe können die Schildkröten nicht überwinden. Wahrscheinlich suchen sie sich andere Nistplätze, die leichter zugänglich sind.
Mitte August sollen die ersten Schildkrötenbabies schlüpfen. Vielleicht schaffe ich es, am richtigen Tag wieder nach El Gariton zu fahren und beim Schlüpfen und Entlassen ins Meer dabei zu sein.

Sonntag, 4. Juli 2010

Resümee Bolivienreise

Zurückgekehrt nach Guatemala möchte ich ein kleines Resümee über meine Eindrücke von diesem Land ziehen.
Sie sind natürlich subjektiv!




Zunächst ein paar Daten über Bolivien: (gesammelt im www.)

Größe: Ca. 14 mal größer als Österreich!

Einwohner: ca. 9 Mill.

Durchschnittliche Lebenserwartung: 66,53 Jahre (Österreich: Ca. 80 J.)

Fertilitätsrate (durchschn. Kinderzahl pro erwachsener Frau): 3,8 (Österreich 1,38)


Anhand dieser Daten lassen sich schon gravierende Unterschiede erkennen. Bolivien ist unheimlich dünn besiedelt. Man fährt wirklich oft stundenlang durch unbewohnte Gegend, was auch damit zusammenhängt, dass große Teile des Landes recht unfruchtbar oder sehr gebirgig sind. Die durchschnittliche Lebenserwartung von nicht einmal 70 Jahren zeigt, dass die medizinische Versorgung noch recht schlecht ist. In den Städten haben wir aber Kliniken gesehen, die an manchen Tagen der Woche kostenlose medizinische Versorgung anboten. Insgesamt kann ich mir vorstellen, dass vor allem in den dünn besiedelten Gegenden Ärzte Mangelware sind und auch der Transport von Kranken nicht organisiert ist, weil die Entfernungen einfach sehr groß sind (ich habe am Land nirgendwo einen Rettungswagen gesehen!)

In Bolivien gibt es viele, viele Kinder. Vor allem die indigene Bevölkerung, die ja ca. 70 % der Gesamtbevölkerung ausmacht, besteht aus sehr kinderreichen Familien. Die Frauen tragen ihre Kinder lange mit sich in einem Tuch am Rücken herum. Viele Kinder könnten eigentlich schon selbst laufen, werden aber noch immer getragen. Außerdem habe ich beobachtet, dass die Indigina-Frauen die Kinder sehr lange stillen. Da das Stillen recht ungeniert in der Öffentlichkeit erfolgt, konnte ich oft sehen, wie Kinder mit 2 - 3 Jahren noch an der Mutterbrust saugten. Grundsätzlich werden kleine Kinder von ihren Müttern immer zur Arbeit mitgenommen. Ob sie am Markt Gemüse verkaufen oder in der Stadt in einem Hostel in der Rezeption sitzen - die Säuglinge und Kleinkinder sind mit dabei, werden oft einfach am Boden gewickelt und entwickeln so eine gewisse Gelassenheit. Wir haben uns bei den elendslangen Busfahrten oft über die "braven" Kinder gewundert.
Ein großer Unterschied zu Österreich, aber vor allem auch zu Guatemala besteht in der politischen Meinungsäußerung. In Bolivien wird die politische Meinung sehr öffentlich in Kundgebungen, Demonstrationen und in manchen Fällen auch in Blockaden kund getan. Die Staatsmacht und die nicht demonstrierende Bevölkerung registriert diese mit einer gewissen Langmut, denn Polizisten marschieren zwar auf, sind jedoch nur mit Schlagstöcken bewaffnet und die Passanten sehen dem Treiben auf solchen Demos eher gelassen zu. Die indigene Bevölkerung wehrt sich aktiv gegen die Ausbeutung durch Großgrundbesitzer und gegen die Beschneidung ihrer Interessen. Dies führte natürlich auch zu Gegenbewegungen und im fruchtbaren Tiefland rund um Santa Cruz gibt es schon seit einiger Zeit massive Autonomiebestrebungen. Es wird viel diplomatisches und politisches Geschick von Evo Morales und seinen Mitstreitern brauchen, um das Land geeint zu halten. Zu groß sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen und auch zwischen den einzelnen Gebieten.

Was Bolivien so interessant macht:

  • viele verschiedene Klimazonen (vom Regenwald im Tiefland bis zum Wüstenklima des Salar und zum hochalpinen Klima der Cordilleren und der Anden)
  • viele Indiginas (leider fast ausschließlich weibliche) sind in traditionellen Trachten gekleidet
  • wunderbare Landschaftseindrücke im Gebirge mit traumhafter Fernsicht, die durch die
    trockene Luft in dieser Jahreszeit begünstigt wird
  • selbstbewusst wirkende Indiginas, die nicht nur "dulden" wie hier in Guatemala
  • äußerst günstige Preise bei Unterbringung (annehmbarer Standard), Essen und Transport
  • ein recht sorgloser Umgang mit Touristen, der Erlebnisse wie der Besuch der Minen von
    Potosí oder von nicht erschlossenen Tropfsteinhöhlen o.ä. ermöglicht. Bei uns könnte man so
    etwas nie sehen, da die Angst vor Unfällen zu groß wäre.(Zugegebenermaßen hat dieser Punkt 2 Seiten: Wenn etwas passiert übernimmt sicher auch niemand die Haftung!)
  • ein recht gut ausgebautes Busnetz, das auch dort und da schon recht luxuriöse Busse anbietet.
    Zu wünschen wären nur noch Tagfahrten, da die Busse in Bolivien auf den weiteren Strecken
    ausschließlich in der Nacht fahren.
  • es besteht kein offensichtliches Sicherheitsproblem. Man sieht kaum private
    Sicherheitsdienste und die Polizei ist größtenteils unbewaffnet.


    Worauf man sich bei einer Reise durch Bolivien einstellen sollte:
  • Teilweise sehr schlechte Straßen und waghalsig fahrende Busfahrer
  • In den Wüstengebieten und im Gebirge vor allem kalte Nächt
  • Viele Menschen haben Schwierigkeiten mit dem Luftdruck in den großen Höhen der Anden und Cordilleren bzw. in Städten wie La Paz und Potosí (Höhenkrankheit).
  • Es sind hauptsächlich Rucksacktouristen unterwegs. Luxusrundreisen wird man in diesem Land vergeblich suchen.

Mir hat Bolivien extrem gut gefallen und ich werde wohl den Rest meines Lebens das Fortkommen dieses Landes interessiert beobachten, wobei ich hoffe, dass es genau dort gelingen möge die Unterschiede zwischen den armen Indiginas und den reichen Weißen zu vermindern und ein Zusammenleben in gegenseitiger Achtung und Wertschätzung zu ermöglichen.